Eine Atysanische Geistergeschichte Teil 6 Die lange Nacht Teil 2 Wie dem auch sei, und egal ob ein mutiger Held in der Lage wäre eine solche Nacht ruhigen Blutes zu durchstehen, ich war es nicht. Die Geräusche der Nacht waren zu unheimlich, zu unnatürlich, als dass ich auch nur eine ruhige Minute gehabt hätte. Irgendwann hielt ich es dann nicht mehr aus. Ich griff mir einen brennenden Ast meines Lagerfeuers, den ich als Fackel verwenden konnte, und ging den Geräuschen nach. Die Vielfalt der Eindrücke, welche, kaum dass ich die Wärme des Lagerfeuers hinter mir zurückgelassen hatte, auf mich einstürmten, war gewaltig. Bereits nach wenigen Schritten war das Feuer nur noch als diffuses Flackern hinter mir zu erkennen, die Schatten der hinter dem Nebel verborgenen Bäume wirkten bedrohlich und einschüchternd und die Kälte kroch mir langsam und unaufhaltsam in die Glieder. Nichts desto trotz ging ich weiter. Ohne Ziel und ohne auf eine besondere Richtung zu achten. Ich marschierte einfach durch den Nebel. Erschrocken fuhr ich herum als ich dicht neben mir auf einmal ein lautes Knacken und Rascheln hörte, doch im Schein meiner Fackel war nichts zu sehen als graues Wabern. Ich lauschte auf die Geräusche um mich herum. Das Rascheln war noch immer da. Es entfernte sich. Wohl ein Yubo den ich aufgeschreckt hatte. „Habe ich dich nicht gewarnt?“ drang da ein leises Flüstern, mehr Windhauch als gesprochenes Wort, durch den Nebel an mein Ohr. „Hallo?“ fragte ich in das graue Nichts um mich herum. „Ist da jemand?“ „Hüte dich!“ flüsterte es wieder. Und diesmal konnte ich die Richtung ausmachen. Hoffend, meinen Gesprächspartner zu erblicken, streckte ich meine Fackel in jene Richtung, doch es war nichts zu sehen. Ein plötzlicher Luftzug, als würde etwas mit großer Geschwindigkeit nahe an mir vorbei huschen, ließ meine Fackel aufflackern und in den tanzenden Schatten meinte ich für kurze Zeit dann doch den Schemen eines Homin zu erkennen. „Wer ist da?“ fragte ich erneut, doch bekam keine Antwort. Die Schatten vor mir lieferten sich einen heißen Kampf als ich in die Richtung ging, in der ich glaubte den Fremden gesehen zu haben. Und tatsächlich. Wieder meinte ich eine Gestalt im Nebel zu erkennen die sich von mir zu entfernen schien. Ich beschleunigte meinen Schritt, achtete nicht länger auf das was hinter dem Nebel um mich herum lauern mochte, war nur noch fixiert darauf jenen Fremden einzuholen. Hauptsache ich wäre nicht länger allein. Doch je mehr ich versuchte zu dem Fremden aufzuholen, desto schneller floh er. Der Abstand zwischen uns schien sich nicht zu verändern und immer wieder hörte ich sein Flüstern. „Hüte dich! Hüte dich vor ihm, der die Seelen jagt!“ Ich war so darauf konzentriert den Schemen vor mir nicht aus den Augen zu verlieren, dass ich nicht darauf achtete wohin meine Füße traten, und so geschah das unvermeidbare. Ich verfing mich irgendwo und ehe ich mich versah stürzte ich aus vollem Lauf zu Boden. Die Fackel flog mir aus der Hand während ich, ein Stück über den Boden rollend und rutschend, den Lohn für meinen Leichtsinn erhielt, und mit schmerzenden Gliedern liegen blieb. Als ich mich fluchend und schimpfend wieder erhob wurde mir erst bewusst was ich getan hatte. Bei Jena, was war nur über mich gekommen? Von meinem Lagerfeuer war weit und breit kein Schimmer mehr zu erkennen und der Wald wirkte hier fast noch bedrohlicher und dunkler als zuvor. Ich dankte Jena von ganzem Herzen, als ich dann doch den fahlen Schein meiner Fackel einige Schritte vor mir erblickte, die zum Glück nicht verloschen war. Immer noch fluchend überbrückte ich die wenigen Schritte und wollte sie gerade aufheben, als mein Blick auf eine hölzerne Tafel fiel, die dort im Boden steckte. Wer sie dort aufgestellt hatte vermag ich nicht zu sagen, an den Text der auf ihr geschrieben stand erinnere ich mich jedoch noch genau: „Gewidmet all jenen, die bei der Verteidigung ihrer Heimat ihr Leben ließen als die Streitmacht derer, die als 'Halsaufschneider' bekannt wurden, das Land in Besitz zu nehmen suchte. Möge Jena über ihre Seelen wachen und die ihrer Mörder verfluchen. Möge die Göttin die einen erheben an ihre Seite und die anderen dem Verschlinger zum Fraße vorwerfen auf das sie für immerdar getilgt seien vom Antlitz Atys.“ ''Ein letztes mal unterbrach Ciosso seine Geschichte und blickte in die Runde seiner Zuhörer. Mit offenen Mündern starrten ihn einige an, während andere seine letzten Worte schneller verdaut hatten. Aber in jedem Gesicht spiegelte sich der grimmige Zorn auf die Homins wieder, die damals den Landstrich um den Kamikreis besetzt hielten.'' « Back |
|